Menschen polnischer Herkunft werden in Medien, Literatur und öffentlichen Diskussionen häufig als die „Unsichtbaren“ beschrieben. Das liegt daran, dass sie in der Gesellschaft als Polinnen und Polen kaum auffallen und häufig kaum sichtbar in öffentlichen Ämtern und Positionen sind. Vor allem sind Frauen polnischer Herkunft in deutschen Ämtern, wie Integrations- und Stadträten, oder Führungspositionen unterrepräsentiert. Um das zu ändern, engagiert sich die Initiative agitPolska e.V.
Polinnen und Polen leben in ganz Deutschland und bilden die zweitgrößte Gruppe der eingewanderten Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Im bundesweiten Vergleich ist die größte Gruppe der Polnischstämmigen in Nordrhein-Westfalen (NRW) vertreten.
Dabei bilden Frauen laut Statistik die Hälfte der polnischstämmigen Bevölkerung und leisten einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung der gesellschaftlichen und politischen Zukunft des Landes. Bei dieser Ausgangslage stellt sich die Frage nach Möglichkeiten, den Frauenanteil von Polinnen in öffentlichen Positionen zu stärken und ihre Sichtbarkeit zu fördern.
agitPolskae.V.: Netzwerke schaffen und Frauen fördern
An diesem Punkt setzen zahlreiche Organisationen und Vereine an. Einer von ihnen ist der im Jahr 2005 gegründete Verein agitPolska. Die stellvertretende Vorsitzende Anna Stahl-Czechowska rief das erste bundesweite Mentoringprogramm „PolMotion – Bewegung der polnischen Frauen“ ins Leben, um u.a. den zahlreichen Frauen polnischer Herkunft in Deutschland ein Gesicht zu geben. Die Projektleiterin nahm das 100-jährige Frauenwahlrecht in Deutschland und Polen im Jahr 2018 zum Anlass, um eine Initiative zu stärken, die gezielt Frauen in den Fokus nimmt, die aktuelle Situation der Polinnen in Deutschland diskutiert und ein nachhaltiges Netzwerk schafft von und für Frauen der polnischen Community.
Sichtbarkeit von Frauen polnischer Herkunft
„Die Besonderheit von agitPolska ist, dass es einen Verein mit diesen Zielen und Projektaktivitäten in Deutschland noch nicht gibt. Wir möchten erreichen, dass polnische Frauen öffentlich in Erscheinung treten und sich mit ihren zahlreichen Stärken in Politik und Gesellschaft engagieren“, sagt Stahl-Czechowska. Die Projektleiterin bei agitPolska e.V. möchte das große Potenzial der Frauen mit einem vielfältigen Netzwerk und Vorbildern fördern. Das Programm „PolMotion – Bewegung der polnischen Frauen“ läuft seit einem Jahr erfolgreich in Berlin/Brandenburg, München und Hamburg. Seit Herbst dieses Jahres ist auch Nordrhein-Westfalen als Bundesland Teil Programmes. Die Programmziele sollen zukünftig u.a. mit folgenden Aktivitäten umgesetzt werden: vielfältige Veranstaltungen, Netzwerkarbeit, Medienarbeit und Mentoring für Frauen.
Frauen polnischer Herkunft in den Medien
Aus der wissenschaftlichen Literatur ist bekannt, dass Frauen mit polnischem Migrationshintergrund in den Medien unterrepräsentiert sind. Wenn sie in den Medien erscheinen, bedienen die Rollen im deutschen Fernsehen und Kino häufig zahlreiche Klischees. Dabei stellen die Figuren etwa Autodiebe, Putzkräfte, Obdachlose oder Bauarbeiter dar. „Die mediale Präsentation von Frauen in Film, Radio und Artikeln ist uns ein besonderes Anliegen. Unter den Polinnen gibt es zahlreiche sehr gut ausgebildete und qualifizierte Frauen, die einen großen Beitrag in der deutschen Gesellschaft leisten und viel zu selten in den Medien erscheinen“, sagt Stahl-Czechowska. Um zur medialen Vielfalt beizutragen, produzierte der Verein Kurzfilme. Der erste biographische Kurzfilm „Erfolg ist weiblich“ über Polinnen und ihr Leben in München sind bereits veröffentlicht. Zudem rief der Verein im Rahmen von PolMotion eine Kampagne zum Thema Solidarität und Engagement polnischer Frauen ins Leben.
Bewegung polnischer Frauen in Nordrhein-Westfalen
In der aktuellen Aktivität Programmes liegt ein Schwerpunkt auf der Förderung von Frauen in NRW. Mit Unterstützung des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration (MKFFI) sollen verstärkt Frauen im nordrhein-westfälischen Bundesland angesprochen werden. PolMotion führte dazu am 18. und 19. November zwei Veranstaltungen in den Großstädten Düsseldorf und Köln durch, dessen Ziel es war, über die Vertretung von Frauen in den gesellschaftlichen Bereichen Politik, Kultur und Medien sowie über Herausforderungen und zukünftige Vorhaben der Stärkung von Polinnen in NRW zu sprechen. „Wir freuen uns sehr, dass so viele Polinnen an den beiden Veranstaltungen teilgenommen haben. Das zeigt ein großes Interesse an ihrem politischen und gesellschaftlichen Engagement. Wir möchten auch im Jahr 2020 Veranstaltungen umsetzen. Dank der Förderer und Projektpartner haben wir einen erfolgreichen Start in NRW hingelegt“.
Große Bedeutung von Polinnen in NRW
Der aktuelle Polonia-Beauftragte Thorsten Klute unterstützt die Vorhaben des Vereins: „Eine Gesellschaft kann nur dann gut funktionieren, wenn alle Menschen mitgenommen werden und eine gewisse Repräsentanz einnehmen. Polinnen und Polen sind in der Gesellschaft und Politik, wie in den Integrations- und Stadträten, mit unter einem Prozent zu wenig repräsentiert“. Als Beauftragter für die polnischstämmigen Bürgerinnen und Bürger sowie Polinnen und Polen in Deutschland setzt Klute sich in seiner ehrenamtlichen Arbeit vor allem für die Kontaktpflege und Zusammenarbeit mit Institutionen und Organisationen der Polonia ein. Der Politiker der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) berät parteiunabhängig die Landesregierung hinsichtlich des Themenfeldes, auch auf Bundesebene und gemeinsam mit anderen Bundesländern, vertritt er die Landesinteressen.
Potenzial polnischer Frauen in allen Lebensbereichen
Der 45-jährige Politiker sieht ein großes Potenzial bei den polnischen Frauen: „Frauen bilden die Hälfte der polnischen Bevölkerung in Deutschland und sollten daher auch gesellschaftlich Verantwortung übernehmen. Wenn es da eine Unterrepräsentanz gibt, dann muss sich die Gesellschaft und vor allem die Politik fragen, was sie tun kann, um das zu verändern. Da reicht eine Veranstaltung nicht aus, aber Netzwerke zu schaffen und sich zu engagieren, ist wichtig. Vielleicht können Frauen polnischer Herkunft im nächsten Jahr für den Stadt- oder Integrationsrat in einer der 396 Städte und Gemeinden kandidieren. Das wäre ein großer Fortschritt“. Sein persönliches Ziel ist, dass Menschen aus Polen in Deutschland ein zweites Zuhause finden, sich in die Gesellschaft gut integrieren und zu Brückenbauern der deutsch-polnischen Zusammenarbeit werden. „Wenn Frauen Mitglied in einem Stadt- oder Integrationsrat werden, in Vereinsvorständen mitmachen, eigene Initiativen gründen, dazu beitragen, dass heute ankommende Polinnen und Polen ähnlich gute oder noch bessere Erfahrungen machen, dann haben wir viel erreicht“, sagt der Politiker, der 2001 zum ersten Mal die Versmolder Partnerstadt Dobczyce besuchte, sich in seine Frau und Krakau verliebte. Seine positiven Erfahrungen mit dem Nachbarland und den Menschen möchte er weitergeben: „PolMotion ist ein gutes Beispiel für das Engagement von Polinnen, um polnischstämmige Menschen zu motivieren, und damit Vernetzung zu schaffen und sich zu engagieren“.
Wie können Frauen bei PolMotion mitmachen?
Der Verein lädt Polinnen sowie polnischstämmigen Frauen der beteiligten Bundesländer zur Projektteilnahme ein. Auf Facebook veröffentlicht agitPolska e.V. alle aktuellen Veranstaltungen, die für Frauen öffentlich sind.
Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit dem Verein agitPolska entstanden. Der Verein hat zum Ziel ein Netzwerk der Polinnen und Frauen der zweiten und dritten Generation polnischstämmiger Einwanderung zu schaffen. Darüber hinaus sollen Frauen motiviert werden, öffentliche Positionen zu vertreten und als Teil der Gesellschaft die Zukunft Deutschlands mitzugestalten.
Weitere Informationen stehen auf der Webseite von agitPolska e.V..