Jung, mutig und frei?

Grenzenlose Freiheit? Die jungen Erwachsenen fahren durch Warschau. © filmPolska Grenzenlose Freiheit? Die jungen Erwachsenen fahren durch Warschau. © filmPolska

Über den Dächern von Warschau blickt Marcin auf die zahlreichen Wolkenkratzer der Stadt. Die Mauern des ehemaligen Ghettos sind zu sehen. Und auch der 231 Meter hohe Kulturpalast. Seine Zigarette raucht er nicht auf, sondern schmeißt sie vom Balkon hinunter in die Tiefe. Innerlich zerrissen, aber doch gefasst, verlässt er die Wohnung von Ola. Was die blonde Studentin nicht weiß, der gutaussehende Begleiter der letzten Nacht trägt ein dunkles Geheimnis mit sich.

Ola und Marcin tanzen in einer Warschauer Diskothek. © filmPolska
Ola und Marcin tanzen in einer Warschauer Diskothek. © filmPolska

Das Filmdebüt „Hardkor Disko“ von Krzysztof Skonieczny präsentiert die rebellische Seite der jungen polnischen Mittelschicht. Scheinbar fernab von teuren Autos, Markenkleidung und schickem Lifestyle feiern sie exzessive Partys mit Alkohol und Drogen. Sie treffen sich unter Brücken, im Wald oder bei Autorennen und sitzen am nächsten Morgen brav mit ihren Eltern am Frühstückstisch. Fasziniert von Marcins ruhiger und entschlossener Art lässt Ola den großen braunhaarigen Mann in ihr Leben. Ohne wirklich etwas voneinander zu wissen, tanzen sie durch die Nächte. Ola bringt den smarten Marcin immer wieder in die Wohnung ihrer Eltern. Olas Eltern sind locker und offen. Die Mutter ist Bühnenbildnerin, der Vater arbeitet als Architekt. Die Familie vertraut Marcin blind.

Die Suche nach der eigenen Identität und ihr starker Freiheitsdrang verleiten Marcin und Ola zu mutigen Taten. Sie gehen über Grenzen ohne an Konsequenzen zu denken, sind immer am Limit und kosten ihr Leben aus. Ob ihr Verhalten tatsächlich frei von allen Folgen ist, davon kann sich der Zuschauer ein Bild machen. Was die Protagonisten übereinander denken, erfährt er jedoch nicht.

Wütend schmeißt Marcin schmeißt eine brennende Flasche auf einen Lastwagen. © filmPolska

Schnelle und teilweise unerwartete Szenenwechsel geben dem Film Dynamik. Andere Aufnahmen sind minutenlang und sehr intensiv. Neben den eigentlichen Filmszenen hat Skonieczny auch künstlerische Elemente in das Szenario eingebaut. Dabei wirft der Hauptdarsteller beispielsweise in Zeitlupe einen Molotow-Cocktail auf einen Polizeiwagen oder zieht ein weißes langes Tuch aus dem Kofferraum eines silbernen Cabrios. Auf Bildern, wie von Kindern gemalt, stellen die Unterüberschriften „Vatertag“, „Muttertag“ und „Kindertag“ die drei Hauptteile des Film dar. An manchen Stellen werden alte Filmaufnahmen von einem kleinen blonden Mädchen gezeigt, die Ola als Kind darstellen sollen. Die polnischen Lieder im Hintergrund untermauern manchmal das Geschehene und wirken an anderen Stellen aufgrund des widersprüchlichen Inhalts bizarr.

Ola und Marcin nach einer durchzechten Nacht. © filmPolska
Ola und Marcin nach einer durchzechten Nacht. © filmPolska

Von Beginn an begleiten den Zuschauer Fragen, die bis zum Ende offen bleiben. „Jeder ist eingeladen, wie bei einem Computerspiel, den weiteren Verlauf des Films selbst zu bestimmen“, sagt der 31-jährige polnische Regisseur über sein Independent-Debüt. Dabei könne jeder mit seiner Persönlichkeit und den eigenen Erfahrungen gedanklich einen anderen Weg gehen. „Für mich war der fiktive Film eine Art Experiment“, so Skonieczny, der auch als Schauspieler und Musikvideoproduzent arbeitet. „Es ist eine Konstruktion von Bildern, die unsere polnische Jugendwelt darstellt und Erfahrungen widerspiegelt“, sagt er.

Hardkor Disko läuft auf dem filmPolska Festival 2015 an folgenden Terminen: Freitag, dem 25.04., um 20.30 Uhr im FSK (Kino am Oranienplatz) und am Samstag, dem 26.04., um 19 Uhr im Filmmuseum Potsdam.

Weitere Informationen gibt es auf der Festivalseite von filmPolska 2015.

Film: „Hardkor Disko“
Regisseur: Krzysztof Skonieczny
Kameramann: Kacper Fertacz
Besetzung:
Marcin Kowalczyk als Marcin
Jaśmina Polak als Ola
Agnieszka Wosińska als Mutter
Janusz Chabior als Vater
Länge: 87 Minuten
Premiere: 04.04.2014

Über Krzysztof Skonieczny

Jungregisseur Krzysztof Skonieczny. © Kuba Świetlik
Jungregisseur Krzysztof Skonieczny. © Kuba Świetlik

Krzysztof Skonieczny ist in Ząbkowice Śląskie geboren und hat Kunstgeschichte an der Universität Breslau und Schauspiel an der Alexander-Zelwerowicz-Theater in Warschau studiert. Er arbeitet als Film- und Theaterschauspieler, Regisseur, Drehbuchautor, Performer und Videokünstler. Bekannt wurde er durch die Rolle im Filmdrama „In Darkness“. Hardkor Disko ist Skoniecznys Spielfilmdebüt.